ein Kunstprojekt
SICHER SAUFEN - 2016 - SICHER KOTZEN - SICH BEBRUNZEN --- ///
ain't no flunserl on my limo...
gestützt von: institut für leistungsabfall und kontemplation
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"Wenns Bier gnua arbat na gibt´s a Rauferei" (Landwirt aus Niederbayern)
" der springende Punkt beim Fotografieren von Menschen ist,
daß man sich in ihr Leben nicht einmischt, sondern es nur besichtigt. "
Susan Sontag - Über Fotografie
Man darf sich nicht wundern, dass wenn man einen Todesstreifen anlegt, links und rechts davon nicht viel gedeiht. So trifft auch der neue Zaun den Kotzhügel mit voller Gewalt. Der Sammelplatz der Bodentruppen ist somit Geschichte und damit auch die Wiesn an Geschichten ärmer.
Die Tendenz war auch schon in den letzten Jahren erkennbar. Am liebsten wäre es den Veranstaltern des grössten Volksfestes der Welt, man würde seine 100 Euronen einfach überweisen und ginge garnicht mehr hin. Dann könnte man auch das Bier billiger machen und vielleicht würde die alte Wiesn dann nicht mehr 14 Euro Eintritt kosten. Den wenigen Mutigen, denen es gelang, noch einen Zugang auf die Spielwiese der Münchner Brauereien zu finden, fanden viel Raum und in jedem Zelt noch einen Platz. Verstecken wird da richtig schwierig. Anpirschen ist geradezu unmöglich gworden und wie gefährlich Manöver auf einer so freien Fläche sind zeigt uns folgendes Bild.
Es wäre klug gewesen, sich vorher Gedanken darüber zu machen, was passiert, wenn die Wenigen das viele Bier wegtrinken müssen. Die sogenannte Holzfasslage ist prekär und führt dazu, dass man neuerdings schon Betten auf der Wiesn aufstellt. Viele der Ehemaligen, die dieser miserablen Heereslage Herr werden hätten können, wurden inzwischen verbraten, wie unser Loisl.
Man muss Gott danken, dass es noch den ein oder anderen Veteranen der Offiziersklasse gibt, der sich mit solchen Notzeiten auskennt und die Lage entsprechend nützt. Aber das sind Raritäten, wie eine gscheide Wirtshausrauferei oder das so berüchtigte Masskrugschmeissen. Es ist zum Haare raufen, zum Tisch zertreten und zum heulen. Aber ich muss leider sagen, München kotzt nicht mehr richtig. Die Saufside Westend wird es so bald nicht mehr geben.
© harteLinie, foto: Kalle Bargeld
Bayern ist berühmt für seine Schlösser, Kühe und Autos, aber nicht gerade für seinen Pragmatismus. Doch nicht umsonst gönnt man sich mit München einen roten Fleck in einem schwarz-braunen Meer der Politik. Hier darf man, umzäunt vom Erzkonservatismus, noch experimentieren. Hochhäuser sind verpönt, dass man es von ausserhalb nicht am Horizont erblicken könnte, aber in Bodennähe herscht hier noch ein liberales Klima.
Die Nackten im Englischen Garten und am Luss-See, die heimlichen Raucherkneipen, ein Radweg direkt an der BMW-Zentrale. Hier darf man noch frei seine Meinung äussern, so sie sich nicht gegen die Sicherheitskonferenz oder die Rüstungsindustrie richtet.
Dementsprechend hat man auch verstanden, dass gleichgeschlechtliche Sexualpartner die finanzkräftigsten Mitbürger sind - double income no kids. Und so ist es nur folgerichtig, dass der diesjährige Wiesnmasskrug in Rosa gestaltet wurde. Ein Rosa so luftig und unbeschwert, dass man denken könnte, er wäre so leicht wegen der Farbe und nicht etwa weil er schlecht eingeschenkt ist.
Im Hintergrund ein nur angedeutetes Riesenrad, dass es sich als Ziel terroristischer Anschläge kaum eignet, und rosa Wölkchen, die den homophoben Feind des Oktoberfests blind machen sollen.
Selbst das Pärchen im Vordergrund ist aus gutem Grund geschlechtsneutral gehalten. Erst möchte man meinen, es handelte sich um eine kämpferische Szene, wobei die rechte Figur ihren Arm hilfesuchend nach oben richtet, bis man merkt, dass sie eigentlich nur ihre verregnete, aufgeweichte Brezn wegwirft.
Das Pärchen sinnigerweise in Grün. Auch das hat man in München schnell begriffen, dass deren Wähler viel Geld ausgeben und nicht wirklich in der Sozialpolitik mitmischen. Wer sonst sollte all die Bioläden am Leben erhalten, wo doch keiner mehr einen Schweinsbraten essen kann ohne einen anaphylaktischen Schock zu erleiden.
An der Analyse des weggeworfenen Essens arbeiten wir noch. Hier bieten sich mehrere Erklärungsmuster.
Vielleicht haben die beiden Grünen Hunger und können die in rosa Wölkchen schwebende Nahrung nicht essen, weil zu viel Salz auf der Breze, zu viel Zucker im Herzen und zu viel Alkohol im Bier sind. Dass es sich um hungernde Unterschichtler mit der Hand zum Gruß handelt, die es sich nicht leisten können, möchte ich bezweifeln, sonst wären sie ja braun.
Ich vermute, dass es sich um einen auf die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern beziehenden Affront gegen die AFD und FDP handelt, bzw auf deren Wahlergebnisse. Zwei Grüne, die sich wünschen, auch so hoch hinauf zu kommen. Und nicht ein schwarzer Klecks auf dem Krug.
Ein teils rätselhafttes Motiv 2016 also. Aber wieder mal ein deutliches Zeichen, dass es weder um Form noch um Inhalt geht, sonst hätten wir schon längst den octogonalen Krug mit einem Henkel oben wie beim Milchkanderl und mehr Fassungsvermögen.
Ich habs ja schon erwähnt. Die Wiesn hat schon aufgemacht und ich hab nix vorbereitet, keinen Tisch gedeckt und keinen eingeladen. Da bleibt mir nichts als auf Liveberichterstattung zu gehen und die Gedankenflut in den ganzen Dauerregen mithineinzuschütten.
Den Gedanken der Allmende können Sie aus dem vorangegangenem Artikel leicht herauslesen: Die Wiesn gehört eigentlich allen. Da ist der neue Zaun eigentlich nur eine Ausdruck des Zeitgeistes, der Raffgier und des Eigentumgedankens. Ich hatte das ja im Biergärtner bereits erwähnt: von der Wiesn darf eigentlich nichts mitgenommen werden. Keine Krüge, keine Erinnerungen (ausser man fotografiert sie) und auch des konsumierten Essens und Trinkens möge man sich vor Verlassen des Stadtgebietes bitte entledigen.
Inzwischen darf man auch nichts mehr mitbringen. Keine Rucksäcke, kein eigenes Essen wie in normalen Biergärten, keine Erwartungen und seit Gundolf Köhler 1980 auch keine selbstgebastelten Sprengsätze.
München ist eine sehr kohärente Weltstadt mit einem Herz, das bald einen Schrittmacher braucht. Wir haben eigentlich alles. Berge, Seen und Idylle, sobald man mal aus der Stadt rauskommt. Wir haben zwei Fussballvereine, die sich gegenseitig ergänzen. Den induktiven FC Bayern mit einer sehr breit gefächerten Anhängerschaft, die auch viel vom Bier versteht, wie wir das von Stuhlgewitter mit "Billich saufen" sehr eindrücklich vorgesungen bekommen. Und die deduktiven Blauen, die eher aus dem Allgemeinem zum Speziellen streben.
Also eigentlich alles da. Nur beim Bier hapert es. Lätschn- und Schaufelbräu, ein Hacker, das man besser im Regal lässt. Jeder säuft das depperte Augustiner, dieses geschmacksangereicherte Wasserl, als wäre es das höchste auf der Erde. Dazu noch eine in Pakistan produzierte Lederhosen und komische, weiss-rot karierte Hemden, die man bis ins 21.Jhdt in Bayern noch nie gesehen hatte.
Wir haben unsere Räterepublik noch nicht vergessen, wie uns das erneut die Gruppe Stuhlgang mit ihrem wunderschönem Lied "Von Kim Jong il das Siegen lernen" ans Herz legen will. Wie aber soll die hartelinie ihre Bodentruppen an die Front befördern, wenn wir auf oben benannte Betriebsstoffe zurückgreifen müssen, während die Regierungsmacht aus Franken über viel mächtigere Waffen verfügt.
Trotz all der Überbevölkerung herrscht bei uns ein Fachkräftemangel, dass einem der grösste Rausch nicht über die Niedergeschlagenheit hinweghilft. Was wollen wir denn mit Millionen von Syrern, die selber garkein Bier saufen. Ist ja nun wirlich nicht so, dass wir unter Lammfleichüberproduktion zu leiden haben, sondern unter Bergen von Schweinsbraten und einer Wiesn, die wir inzwischen umzäunen, dass keiner mehr davonlaufen kann.
Das ist doch Irrsinn! kein Wunder, dass da nicht nur immer wieder das alte Lied, sondern auch ganz andere wirre Gedanken entstehen. Diesem Land täte es mal ganz gut, wenn man von der Flagge den goldenen Streifen entfernte.
Ich wollte erstmal lieber nichts sagen oder schreiben, weil irgendwie nicht so klar war, ob es eine Wiesn 2016 so geben wird oder nicht. Zudem komm ich grad von der Alm, also der Hochwiesn, und bin noch nicht recht orientiert. So ein persönlicher Almabtrieb ist auch ein innerlicher Abstieg, ein moralischer Niedergang, denn auf der Alm da gibt es bekanntlich ja keine Sünd, und hier unten, insbesondere auf der Wiesn, geht es vorwiegend darum.
Mein Nachbar sagte auf der kürzlich stattfindenden Räteratssitzung unserer Allmende sehr weise: "Was du nicht brauchst, gehört mir." Und ich hab ihm dafür nicht den Kopf eingeschlagen. So etwas ist also möglich. Die Wiesn gehört nämlich allen und vom Rest nur das, was man braucht.
Die Tragik der Allmende besteht also nicht darin, wie von einem Hornochsen wie Garrett Hardin behauptet wird, dass Menschen nicht in der Lage wären, Gemeingut gemeinsam langanhaltend zu nutzen, sondern die Tragik besteht darin, dass gerade Gierköpfe wie er und wenige andere durch intensive Landwirtschaft, durch beständige Leistungssteigerung, durch ständige Produktionsmaximierung, etc nicht nur die Allemnde, sondern den ganzen Planeten an den Rande der Existenz bringen. Schließlich bekam auch Elinor Ostrom, die Letzteres behauptet, dafür den Nobelpreis 2009 und nicht der glückerlicherweise schon verstorbene Soziopat Hardin oder die Chicago School of Economics.Ausgangspunkt für die Münchner Räterepublik war eine Kundgebung am 7.November 1918 auf der Theresienwiese. Als der Rausch des Oktoberfests gerade verflogen war, nahmen jene, die vom Blutvergiessen die Schnauze voll hatten, das Blatt, die Waffen und vor allem die Regierugsgeschäfte selbst in die Hand, um in einem Freien Volksstaat Bayern dem Volk eine Art Selbstverantwortung an die Hand zu geben.
Daraus zu schließen, dass man dadurch wohl gesehen habe, dass es nicht funktioniert, wäre entsprechend zu behaupten, schon der Kolonialismus habe gezeigt, dass es die Indianer und Völker Afrikas und Asiens eben nicht alleine schaffen. Die Macht des Stärkeren ist nicht zwingend der Beweis seines Rechts, den anderen was wegzunehmen. Nur weil eine Berliner Regierung die Weissen Garden aus ganz Bayern rekrutierte und bewaffnete, die den Münchnern den Gar ausmachten, heisst das nicht, dass die Münchner das nicht selbst gewollt und geschafft hätten. Enstprechend war es auch nicht das Volk von Burkina Faso oder Chile, das Thomas Sankara und Salvador Allende exekutierte, sondern stets das Militär mit Hilfe auswärtiger Staaten wie den USA undFrankreich. Die naheliegende Schlussfolgerung wäre schon eher, dass man zuerst die Regierung und das Militär als Handlanger der multinationalen Konzerne eleminiert, um sich anständig selbst zu regieren. Der Fisch stinkt eben immer vom Kopf her.
Und so ist es auch mit der Wiesn 2016. Denn was macht der Wirt ohne Gäste ... kein Geschäft. "Es ist halt Scheiße"
von H. Harriab