ein Kunstprojekt
SICHER SAUFEN - 2017
ain't no flunserl on my limo...
gestützt von: institut für leistungsabfall und kontemplation
Volksfest
kotzen
hosnsorchen
wiesnscheißen
kindersaufen
brunzpfuhl
aus eine Maria: »Nachtrag zum Brezensalzer «
|
"S Oktobrfäschd isch subbr. Wie die Cannstatter Wasn. Und ma kommd mid alle Leut glei ins Schwäddsa. Gaschdfreundlich send Se. Do sädsd sich dann eenä grad emol do näbe mi und had mer erklärt wo de Weißworschtgränse is... " sagt ein durchs Abteil gehender Mann zu einem anderen. Eine Schar wadlbestrumpfter, lederbehoster und dirndlbebluster junger Leute sitzt in einem Großraumabteil. Ich setzte mich schnell auf einen Klappsitz, schnappe den beiden Männern von jenseits der "Weißworschtgränse" den letzten freien Platz weg. Den Gesprächen der jungen Leute im Großraumabteil kann ich schon nach wenigen Fahrminuten entnehmen dass sie Bebimaus, Gloi Lugge, Uddo, Schlampenschlepper, Obelix und Stefan heißen, ebenfalls auf dem Münchner Oktoberfest waren und nach Mindelbau wollen. Einer aus der Gruppe, ein junger Mann mit Milchgesicht und stacheligen Bartfäden ist schon eingeschlafen. Ein anderer starrt seine Bierflasche an, als warte er auf etwas, vielleicht auf einen Bus, der ihn in ein besseres Leben bringen könnte. Der Wieseneuphorie erfolgt Ernüchterung und Langeweile. Das Geräusch des zuklappenden Mülleimerdeckels im Abteil klingt wie eine geborstene Kappellenglocke und weckt den friedlich Schlafenden. Zwischen zwei Schnarchern erwacht er und brüllt "Sieg Heil!" Der Körper seines bierstarrenden Kollegen, reagiert darauf geradezu pawlowsch. Sein rechter Arm zuckt. Der junge Mann unterdrückt den Reflex, gilt es doch, sein angetrunkenes Wegbier nicht zu verschütten. "Stefan! Bitte! Hör auf damit, sonst trenne ich mich von Dir! Sonst komm ich nicht mehr mit zu Dir nachher! Obwohl... Ich hab ja meine Handtasche noch bei Dir", spricht die Freundin oder Exfreundin vorwurfsvoll. Stefan schlägt nun leisere Töne an: "Was sagst jetza Du zu dera Bundestags-Wahl 2017?" Sein Kollege gibt freimütig zu: " I bin voll zfrieda. Mehr als zfrieda. Des gschieht dr Mergl, dr Merglangela gschieht des grad rächt. I bin zfrieda. Dene hammers zoigt." Stefan fängt an zu sinnieren: "Jetzt hol i glei mei Hooligan-Tool raus. Des dua i ins Audo. Na kommt des endlich amol zum Eisatz, mei Hooligan-Tool." "Stefan, bitte!" meldet sich die Freundin oder Exfreundin oder Vielleichtnochfreundin zu Wort. Stefan gibt keine Ruhe. Er lässt sich dem Mund nicht verbieten, brabbelt "Mei Hooligan-Tool. Mei schenes Hooligan-Tool. Des liegt guat in dr Hand, mei Hooligan-Tool." Beim imaginären Anblick seines "Hooligan-Tools" huscht ihm jedes Mal in Lächeln über sein Gesicht, ja die Freude an dem lautmalerischen Klang des Wortes scheint ihn so zu begeistern, die Macht die in dem Wort liegt berauscht den ohnehin schon sehr berauschten, so dass er das Wort sooft als möglich mit seinem schmallippigen Munde zu formen beginnt: "Mei Hooligan-Tool. I weiß genau wo i des hab. Des is in der Garasch, mei Hooligan-Tool. Die wern mr jaga! Er brabbelt noch allerhand, darunter das seltsame, mir völlig unverständliche Wort "Dengosierme", das mehrfach über seine Lippen kommt. Endlich schläft er den Schlaf der Gerechten. Nach einer halben Stunde verabschiedet sich der Zugansager von allen aus- und umsteigenden Fahrgästen, wünscht ihnen, dass sie gesund bleiben und die Dienstleistungen seines Unternehmens bald wieder in Anspruch nehmen mögen. Endlich Mindelbau. "Stefan, wir müssen raus" ruft die Freundin oder Exfreundin oder Fastnochfreundin oder Vielleichtnochfreundin oder Nurnochebendiehandtascheholerin. Stefan wacht auf, spricht überraschend seinen angefangen Satz zu Ende. In der Garage im oberen Regal in der Mitte. Da läge es, sein Hooligan-Tool. Sein Hooligan-Tool, sein Hooligan-Tool. Eine aussteigende Frau, die wie ich alles mit angehört hat sagt: "Na, die waren schon ein bisschen seltsam." Der Mond über Mindelbau blutrot, wie eine frisch aufgeschnittene Wassermelone aus dem Balkan. Fahnen schlaffen vor dem Bahnhofsgebäude. "Willkommen" steht auf einem Schild. |
von Pictor Necunoscut |
14 Uhr und an sich hat der Tobi genug. Vielleicht heißt er auch nicht Tobi, aber das spielt keine Rolle. Die Luft ist kalt, besonders an seinen Händen, die Sonne brettert. Da steht er, an eine Bude gelehnt und fürchtet zweierlei: verjagt zu werden, also laufen zu müssen, und dass der kalte Schweiß ausbricht. Wenn er's nicht fürchtet, ist das seine Sache, aber er wird's schon fürchten. Der Tobi lehnt also, frierend in kurzer Hose am Standl und klettet seinen Blick an eine Revue aus Steckerlfischen. |
Kalle Bargeld, aus harteLinie |
sind laut einer englischen Studie |
Tom Blilpzulp |
Durchs Gewusel der Hauptachse dringt ein Marsch. Die Hauptachse macht Platz, nur die Pferdeäpfel werden nicht weichen. Eine Kapelle in grauem Filz mit spitzen schwarzen Hüten hält aufs Augustinerzelt zu. Bewundernde Blicke, Smartphones an Selfie-Steckerln allenthalben, der Kapellmeister mit stolzgeschwellter Brust. |
Kalle Bargeld, aus harteLinie |
Er trägt ein grünes T-Shirt zu den Lederhosen und kratzt sich mit seinem Landhausmodenschuh an den behaarten Waden auf Höhe der Kniekehle. Das sieht sonderbar aus, wie das Bild von der Ziege, die sich hinterm Ohr kratzt wie ein Hund das ich mal in einem Museum gehen habe. In seinem Auge schwimmt eine Träne. "Wat is los mit Dir? Siehst ja aus wie Rasputin inne Mauser", ruft ein Passant. Vielleicht konnte der Kniekehlenkratzer bei den Mädchen in der Stadt keinen großen Eindruck Ich gehe weiter und denke mir eine Liste aus. Uncoole T-Shirts, die man nicht unbedingt anziehen sollte, wenn man Jemanden kennenlernen möchte. - Taubenabwehrtechnik Pfnürl - I fuck at the first date - Musikverein Schnürpflingen - Chemiesee (statt Chiemsee (gefälschte Markenklamotte)) Bavaria mit Ruhmeshalle gegen das Gebirge. Blasmusik. Eine Festzeltschlägerei. Dumpf dröhnt der Nasenknorpel. Schrill klirren zerberstende Krüge.Der Rahmen des Gewohnten wird hier mit großer Leichtigkeit gesprengt. Ein Trupp Sanitäter eilt im Geschwindmarsch zum Zelt und reißt mich aus meinen Gedanken. Die Liste uncooler T-Shirt- Aufdrucke bleibt Fragment. |
Pictor Necunoscut |
I had a dream - der Bierpreiß beim Noagerlwirt
Glücklicherweise müssen wir nicht ständig schlecht eingeschenkte Maßen anmahnen, da wir die Bedienung Zenzi, gleich beim Einlaufen uns mit einem saftigen Trinkgeld gefügig machen konnten. Um uns herum lauter selten greißliche Zipfigsichta, die in Anbetracht der guten Stimmung keinen negativen Einfluß auf unser Gemüt haben, wie man eben auch in einer geschmacklos tapezierten Wirtschaft durchaus seine Freud haben kann. Drinnen plärrt die Blaskapelle und das Zelt ist dichtbevölkert von ortsfremden Gesindel, von dem man beim besten Willen nicht erwarten kann, daß sie den wohltuenden Aspekt eines weiß-blauen Himmelsdaches von der drückenden Stimmung eines Zeltdaches unterscheiden könnte. Man fühlt sich als Bayer geradezu allein auf dieser flächendeckend von Preißen besiedelten Welt, die einfach nicht verstehen, wann es wirklich gemütlich ist. Wenn alle schon einen sitzen haben, nicht viel geredet wird und vor allem keiner mehr so genau zuhört, was die anderen sagen, springen sie auf die Bänke oder plappern los, als sei diese wunderbar geistige Leere ein Moment kurz vor der Implosion, vor der sie scheinbar fürchterliche Angst haben und die sie mit aggressiven, abgekackten Wortattacken zu füllen versuchen. Man könnte meinen, Kaiser Wilhelm wäre wiederauferstanden und der Weltkrieg kurz vor dem Ausbruch, wenn sie ihre Satzfetzen wie Giftgasgranaten in die gemütliche Runde werfen und damit jegliche Seligkeit abtöteten. Der Schnoiztaler Toni fühlt sich bei diesem fremdartigem Geschrei an seine schnatternden Enten erinnert, die man aber noch entschuldigen könnte, wo sich doch die mögliche Nähe eines Fuchses vermuten ließe. Und dem Schmiedl Fritz gärt dabei der Darm so stark, daß er am liebsten an seinem Hacklstecken auch noch herunterscheißen würde. Gä, Fritz, sag ich noch, jetz aba. Do scheiß i ma nix, sogt a nua, während es den Brei am Hacklsteckn abwärts wälzt. Nur der Adabei lässt sich in seiner Seelenruhe nicht beirren und lauscht dem poltschen Maikäfer. Der Preiß aber hat eine Panik vor der Gemütlichkeit und versucht sie schon im Entstehen abzuwürgen. Es ist schwer abzuschätzen, ob es sich dabei um eine endogene Paranoia handelt oder ob es ihn einfach ärgert, wenn sich der Bayer wohl fühlt. Leider hat man mit der Besatzungsmacht schon die leidlichsten Erfahrungen gemacht und weiss, dass man die Feindkultur nie wird integrieren können. Man hat das Oktoberfest ja schließlich auch für andere Volksgruppen offen gehalten, ob für Amerikaner, solange sie nicht alles besser wissen, oder für Italiener, die oft sogar mehr sprechen als die Preißn. Hauptsache ist allerdings, daß sie nicht Deutsch sprechen, als wäre es ihre Muttersprache und ganz unerträglich wird es, wenn sie so tun, als wären sie hier zuhause. Man will den Gast ja gerne teilhaben lassen an dem, was er angeblich so schätzt an unserer weiß-blauen Heimat. Aber kaum ist er da, der Preiß, schon beginnt er rumzunörgeln an den Öffnungszeiten der Biergärten, an den Stammrauchern in den Boazn und vor allem an der konsumfeindlichen, ansässigen Gemütlichkeit. Die Spezlwirtschaft ist ihm zu spezlwirtschaftlich und die Kuhglocken sind ihm zu laut. Selten, sehr selten, findet sich auch ein Bierpreiß unter dem ganzen Gschwerl, ein seltener Findling, der wie ein losgelöster Nierenstein, frei von Schmerz und Gram im Biersee schwebt. Riesig und hager, weil garnicht genügend Fleisch an ihm vorhanden ist, um ausreichend an jedem Knochen zu hängen. Er dreht seinen giraffenähnlichen Hals und lächelt herüber in seiner Bierseligkeit wie ein Findling eben, der schon seit der Eiszeit seinen Platz gefunden hat. Wir, durch unsere Stiernacken in der Bewegung eingeschränkt, lächeln zurück, meiden aber jeglichen verbalen Austausch, um die Stimmung nicht zu zerstören. So ein Bierpreiß existiert nur in seiner Singularität. In Grupppen mutiert der Bierpreiß augenblicklich zum Saupreiß, zu einer Art Steinschlag, der jede Gemütlichkeit zerschmettert. Er, der Bierpreiß, hingegen trinkt teflonartig vom Getümmel isoliert seine Maß Bier, während wir ihm vor lauter Rührung über die Anwesenheit eines so seltenen Tieres sogar andeutungsweise zuprosten. Liberalitas Bavariae, da existiert sie noch, diese alpenländische Toleranz gegenüber dem Fremden. Weil man ja weiß, daß er auch wieder geht wie ein kurzer Schauer im sommerlichen Biergarten. Erfrischend weil kurz und vergänglich. Ganz im Gegensatz zu dieser Gewitterfront an Saupreißn, die zunehmend bleiben. Aber irgendwann sind sie alle hier und der Bierpreis in inflationäre Höhen schießt. Dann packen wir sie ein, die Voralpen, die Seen, Bäche und die taufrischen Wiesn samt Bierzelt und ziehen Richtung Norden. |
eine Maria harteLinie |
Impression 1 Die Seitentür des schmucklosen weißen Lieferwagens schlägt zu. Ein wenig schlafrunken richtet ein Mann halbautomatisch seine Utensilien auf dem Beifahrersitz für einen Wiesntag zusammen, der Janker noch offen, die heruntergerutschten Wadlstrümpfe verdecken noch nicht die Schlangentätowierung auf dem Unterschenkel. |
Wilhelm Friedrichsburg |
Impression 2 Es ist noch dämmrig rund um das Festgelände und das Summen der Kehr- und Reinigungsmaschinen verliert sich langsam in der Ferne. Ab dem mittleren Wiesnwochenende haben sie ihren jeden Tag geführten nächtlichen Kampf gegen die Überreste des Fests verloren. Die sauberen Straßen um die Theresienwiese können nicht mehr verleugnen, was sich die letzten acht Tage auf ihnen abgespielt hat. Der Geruch nach Erbrochenem, Urin und schalem Bier hat sich in den Ritzen der Bürgersteige und auf den verschlierten Grünflächen festgesetzt und prägt das morgendliche Aroma um das vergitterte Festgelände. Es bedarf einiger Portionen gütigen Oktoberregens um dieses Zeugnis des größten Volksfests der Welt bis Allerheiligen dem Vergessen anheim zu geben. |
Wilhelm Friedrichsburg |
Impression 3 Die abendliche Feierstunde im Bierzelt biegt auf die Zielgerade ein. Die Teilnehmer im Rund um die Band haben schon längst die Bänke erklommen, auch auf den Emporen steht man auf den Gängen und folgt gesanglich dem popkulturellen und volkstümlichen Sediment, das die Kapelle darbietet. Nun ist ein Bierzelt nicht unbedingt der Raum für ästhetische Experimente und so kommt auch „What’s Up“ von den 4 Non Blondes zum Einsatz. Das Publikum kennt den Hit aus dem Jahr 1992 und singt aus Leibeskräften mit während die Krüge unentwegt zueinander finden. Nur wenn im Text für die Revolution gebetet wird, fällt das Kollektiv in eine merkwürdig verschliffene Vokabelnutzung oder schweigt sich ganz aus; Schließlich hat die Biergartenrevolution schon vor Jahren stattgefunden. |
Wilhelm Friedrichsburg |
Erst der Krieg hat das Bier gebracht - und das Bier den Krieg |
eine Maria harteLinie |
Herbst
Zwei Rollkofferbenutzer eilen geräuschvoll durch eine Seitenstrasse. Der eine sagt zum anderen mit lauter Stimme um die Rollkofferrollen zu übertönen: „Die sind ja alle völlig aus der Tüte wegen dem Dings, äh, völlig aus dem Häuschen sind die, wegen dem Dings…Wegen der Wiesn. Und so viele Leute. Da muss schon irgendwo ne Buschtrommel am Läuten gewesen sein.“ Der andere brüllt in sein Telefon: "Der Axel nimmt morgen noch mal Kontakt mit Ihnen auf und dann kann er ja einen Termin sagen. Dann kann man noch den größeren Schrank aufbauen, weil die fliegen erst um 15 Uhr. Den anderen Schrank dann in zwei Wochen." Der Herbst nähert sich mit seinen Farben und die Bäume bekommen eine Ahnung von ihm. Dann auch der Mensch. Beinahe wäre ich in eine grüne Flaschenscherbe getreten. „Bauernwein“ steht auf dem Etikett. |
Pictor Necunoscut |
"Kennst Du auch das Gefühl wenn Du nach dem Kotzen einen Krümel zwischen Nase und Rachen hast?" "Kenne ich nicht nein. Wie ist das?" "Eklig." |
Tom Blilpzulpb |
Der erste Blick auf eine fremde unberührte Kultur ist immer auch der letzte (Claude Levi Strauss) Bei Görisried ein Landwirt mit einem Seppelhut auf einem Traktor. Ein Hut, wie ich ihn bisher nur auf den Köpfen auswärtiger Oktoberfestbesucher gesehen habe. Ein grauer Filzhut mit weißblauem Band, wie man ihn kurz vor einem Oktoberfestbesuch in der Münchner Bahnhofsgegend in einem Café, das für die Wiesnzeit in einen temporären Dirndl-to-go-Shop umgewandelt wurde, kauft. Manche Besucher denken, das trügen die Leute hier. Ich habe so einen Hut außer auf den Köpfen auswärtiger Oktoberfestbesucher noch nie gesehen, dabei lebe ich seit 47 Jahren in Bayern. Und nun zum ersten Mal in Natura. Auf dem Kopf dieses Landwirts auf dem Traktor. Auf dem Feld unter einer sich auflösenden Lämmerwolke, kurz vor Görisried. Das hat Seltenheitswert. Das ist, wie wenn man zum ersten Mal einen Eisvogel sieht oder einen Steinadler. |
Pictor Necunoscut |
Im Hackerzelt hat gerade ein Japaner seinen Fotoapparat in seinen Schweinsbraten fallen lassen. Eine Wolke Bierdunst schwebt über ihm. Auf der Designer-Hose des Zeltnachbarn prangt nun ein Soßenfleck. Der Japaner sieht aus wie der Grasunter mit am Hüatei. Der wachhabende Security sieht aus wie ein kalt gewordener Semmelknödel. Der Nachbar mit der Designerhose sieht aus als hätte er letzet Nacht betrunken auf der Tanzfläche einer Dorfdisco gelegen. Angeblich stieß man mit schweren Bierkrügen an, dass das Bier von einem in den anderen Krug schwappte, damit, wenn der andere es trank und es vergiftet war, er auch sterben musste. Aus Vorsicht vor Mordanschlägen stieß man an. Verletzt man eigentlich das Urheberrecht, wenn man auf eine Markendesignerhose einen Flicken draufbügelt? Verletzt man das Urheberrecht wenn man einen Soßenfleck auf einen Markendesignerhose macht? Blasmusik ertönt, dass die Pilze im Wald vor Freude zu tanzen beginnen. Die Eier auf dem Teller wirken wie zwei ausgelaufene Sonnenuntergänge. Alles ist in bernsteinfarbenes Licht getaucht. Die Sonne geht unter und ein goldener Schimmer liegt über den Schaubuden, die man vom Gangarten des Festzeltes aus sehen kann. |
Pictor Necunoscut |
הַלְּלוּיָה
Waschmaschinenprojektion auf die Paulskirche
tippt mir so ein gesichtsloser Niemand auf die Schulter und plärrt: Recht hatte er, mit dem Fotografieren. |
Zwerg vom Falkenstein |
Wo will der Restmensch hin? Im Kopf muss er einen Kreisel haben, so einen ganz kleinen, wie im Handy einer drin ist, so ein Gyroskop, das eben jenen Schädel an die aufrechte Haltung erinnert, während der Rest seine Impulse nicht mehr abzufangen weiß. Das mit den Impulsen ist es, was die Touristen auf ihren Segways nicht umfallen lässt: bevor der Körper Fahrt aufnehmen kann, also umkippen in eine bestimmte Richtung, arbeitet das Segway dagegen. Macht natürlich nicht nur das Segway, machen alle Mehrbeiner, die bei Sinnen sind. Bevor wir eine gewisse Fahrt aufnehmen und es Kraft kostet, uns zu bremsen, bremsen wir uns selbst. Mit einer kleinen Muskelzuckung, die der Restmensch in seiner Lederhosn nicht mehr hinkriegt. Nein, er kippt ein kleines Stück hier hin, dann volles Rohr dagegenhalten und lieber dorthin, und donnert gegen das Haltestellengehäuse. Donnert von dort im Sturzflug in die Zeitungskästen, die mit Nachrichten von der ArschfürDeutschland und Trumpel gefüllt sind. Ob man dem Restmensch ein Taxi rufen darf: "Ich Wüsste doch nicht wohin." |
Kalle Bargeld, aus harteLinie |
Dirndl und Bierpreis, Sex und Rausch, C-Stoff und T-Stoff,
|
eine Maria harteLinie |
Zwischen Dirne und Dirndl - zwischen Saloon Kitty und KZ-Bordellen Das Dirndl, das ab etwa 1870 als Trachtenkopie des städtische Sommerfrischepublikum. Es dauerte rund 50 Jahre bis das Dirndl nun zunehmend auch von den Bürgerinnen der weniger gehobenen Schichten getragen wurde. Entscheidend dafür war nicht nur der günstige Preis, vor allem in Anbetracht der Weltwirtschaftskrise 1929, sondern auch das Gefühl, sich städtisch-modern kleiden zu wollen. Mit der Operette "Im weißen Rössl" von 1930 kam dann der bundesweite Trend und die von den Gebrüdern Wallach in München entworfenen Stoffe, übrigens auch auf Hitlers Berghof, so richtig ins Rollen, bis das Unternehmen 1938 arisiert wurde. Richtungsweisend nachgefragt wird diese Entwicklung in dem höchst aufschlussreichem Interview von Reinhard Jellen mit Elsbeth Wallnöfer in Telepolis vom 27.Sept 2012: "Wenn man heutzutage die Lederhosn- und Dirndl-Brigaden wohlgemut zum Oktoberfest marschieren sieht, kommen ganz klar Assoziationen an eine für den Spaß uniformierte Gesellschaft auf. Sehen Sie irgendwelche mentale Konvergenzen zwischen dem hochkommerzialisierten Sauf-, Brunz, Kotz- und Fickfest auf der Theresienwiese und der Nazi-Ideologie?" Mit der Übernahme durch die Reichsbeauftragte für Trachenarbeit, Gertrud Pesendorfer, von der Mittelstelle Deutsche Tracht, wurde nicht nur Juden das Tragen des germanischen Kleides verboten, sondern wurde das Dirndl auch von scheinbar Artfremdem wie Krägen und Ärmeln befreit, entkatholisiert und wurzelecht arisiert. Man möchte fast sagen, es wurde der in ihrem Unterbewußtem entmannten Sexualität des Nationalsozialismus gleichgestellt, um nicht zu sagen pädophilisiert, wie wir das auch bei Hitlers 'Liebe' zu seiner Nichte Geli Raubal oder seiner asexuellen Bindung mit der 23 Jahre jüngeren Eva Braun beobachten können. |
eineMaria harteLinie |
Der totale Rausch Nicht von ungefähr war es ein Bierhaus-Putsch, der in einen krankhaften, todbringenden Rausch der Massen überging. Dem Vegetarier und Nichttrinker, sondern Kokser und Tablettenfreak Adolf Schicklgruber, genannt Hitler, hat das Oktoberfest sicher nicht geschmeckt, seinem verfressenem Stellvertreter Göring natürlich schon. 'Sie ist für den Münchner etwas Heiliges und darf nicht angetastet werden', hieß es allerdings aus des Führers Munde und so wurde sie schlicht in "Großdeutsches Volksfest" umgetauft und ein soviel braunen Geist infiziert, daß der Emigrant Rudi Hiller von einer Veranlagung des Übersprung des Funkens von Volkstümlichkeit zur Tierischkeit spricht (siehe Spiegel-Artikel 'Wie Hitler das Oktoberfest stahl'). Die Schießbuden kommen ganz groß in Mode unter dem Motto "Üb Aug und Hand fürs Vaterland" und 1935 reitet die SS mit dem Münchner Kindl an der Spitze auf dem Oktoberfest ein. 1937 werden 175 Tausend Besucher aus dem gesamten Reich mit "Kraft durch Freude"-Sonderzüge herangekarrt. 1942 ist es dann aber auch mit der laut Goebbels zur "Rummelbewegung" verkommenen Kraft durch Freude vorbei. 1938 werden die Abnomitäten-Shows aufgrund der Erb- und Rassenpflege verboten und es findet ein Umzug unter dem Titel "Tausend Jahre Jagd und Tausend Jahre Tracht" statt, während der uniforme Faschismus selbst den weiß-blauen Anstrich von Maibäumen verbietet. Für die jüdischen Teilnehmer ist es natürlich schnell vorbei mit einem Besuch auf der Wiesn oder gar dort zu arbeiten. Nur die Zigarettenfirma Reemtsma, dem späteren Vertreiber der Wehrmachts-Zigarette, bleibt es erlaubt, mit der "Salem-Schau" noch orientalische Aspekte auf der Wiesn zu zeigen. |
eine Maria harteLinie |
Ein Wahl in Blau - die erschreckende Wiederkehr Auf der ersten Nachkriegswiesn 1949 wurden die Schießbuden durch Wurfball-Geschäfte ersetzt und auch das Dirndl verabschiedete sich aus dem Alltag. Ich musste mich zu meiner Schulzeit zwar noch in die grauenvolle, kurze Krachlederne zwängen, doch wenn möglich trugen die Frauen Nylonstrümpfe und jeder normale Münchner ganz normale Hosen. Über Jahrzehnte konnte man mehr und mehr das Gefühl bekommen, daß es vorbei war mit dem Nazi-Wahnsinn, mit der Komformität und dem Willen aus dem Schützengraben heraus gegen die bleierne Front des Volksfeindes in den Tod zu stürmen. Auf der Wiesn gab es auch am Wochenende Plätze in den Zelten und während sich die Erwachsenen der neuen Gemütlichkeit hingeben konnten, liefen die Kinder auch mal alleine mit 10 Mark zu den Fahrgeschäften. Selbst die Totale Vernichtung des Geistes wurde vorwiegend vor die Stadtmauern ausgelagert - wie dem Dachauer Volksfest und dem Germeringer Weinfest. Die Zivilgesellschaft hielt wieder Einzug in die ehemalige Hauptstadt der Bewegung. Noch 1970 trug kaum jemand ein Dirndl auf Volksfesten, wie das trachtenheimat.de feststellt, ... ab den 1990er Jahren jedoch änderte sich dies schlagartig: Die Dirndl kamen wieder mehr und mehr in Mode. Ein neuer Art gefühlter Faschismus scheint sich durch die Stadttore zu drängen. Ein Konsumfaschismus, wo mehr einfach immer besser ist. Wie der mit der Großindustrie verheiratete Nationalsozialismus schon damals seinen perversen Trieb zu untermauern wußte, indem er unter anderem die althergebrachte lokale Tracht durch ein allgermanisches Dirndl ausschaltete, wird auch jetzt wieder der Markt mit einer falschen Tradition überschwemmt, um seine neoliberale, menschenverachtende Ideologie an den Mann und die Frau zu bringen. Wenn sich bei dieser Sachlage die CSU dann wundert, daß ihnen die AFD in Bayern die absolute Mehrheit abzwackt bei einer Bundestagswahl an einem Wiesnsonntag, muß man sich wundern. Und einem dem Volkswillen scheinbar nahestehendem Wiesn-Chef und zweitem Bürgermeister Josef Schmid (CSU) könnte man fehlenden geschichtlichen Überblick unterstellen, wenn zeitgleich noch die Deckelung des Bierpreises einfordert, wo man doch eigentlich weiß, daß billiges Bier zumindest in Wahljahren in einer Krisenzeit nicht zwangsläufig zu einem guten Wahlergebnis führt. Der hemmungslose Großkapitalismus wirds ihm zwar danken, aber die Belohnung bekommt trotzdem Gelb-Blau. |
eine Maria harteLinie |